Kommunal- und Verwaltungsreform
Position des Städtetages RLP (Stand: 2019)
Die zweite Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform ist ein Reformvorhaben der rheinland-pfälzischen Landesregierung, die seit 2015 eine Neuordnung auf Ebene der kreisfreien Städte und Landkreise anstrebt. Der Städtetag begleitet gemeinsam mit den anderen kommunalen Spitzenverbänden diesen Prozess kritisch. Nach Auffassung des Städtetages leiden die bisher vorgelegten Gutachten an zahlreichen inhaltlichen Mängeln.
Zum Prozess
Die von der Landesregierung für die sogenannte zweite Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz beauftragten Gutachter haben im Verlaufe des Jahres 2018 ihre Gutachten dem Ministerium des Innern und für Sport übermittelt. Eine Veröffentlichung erfolgte von dort zunächst nicht. Erst durch eine Recherche des Südwestrundfunks und anschließender Berichte über mehrere Tage wurde zunächst eine Zusammenfassung und im November 2018 dann die kompletten Gutachten übermittelt. Sowohl hinsichtlich des Veröffentlichungsmodus als auch bezüglich der Inhalte der Gutachten haben die kommunalen Spitzenverbände dezidierten Unterredungsbedarf angemeldet.
Inhaltlich war sowohl der Gutachtenansatz als auch die daraus entstehenden Ergebnisse für die kommunalen Spitzenverbände nicht akzeptabel.
Zunächst hatte die Landesregierung in einer ersten Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform (ab 2009) eine Neuordnung der Verbandsgemeinden, Ortsgemeinden, und verbandsfreien Gemeinden angestrebt. Es gab insoweit keine Absprachen zwischen SPD und CDU. Diese erste Stufe der Reformbemühungen ist nach wie vor nicht abgeschlossen.
In einer zweiten Stufe (ab 2015) wurde dann eine Neuordnung auf Ebene der kreisfreien Städte und Landkreise angestrebt. Vorausgegangen war eine Absprache zwischen damaligen regierungstragenden Fraktionen (SPD und Bündnis90/Die Grünen) und der CDU. Nach der Landtagswahl 2016 wurde diese Absprache auch auf die FDP ausgedehnt. Es erfolgte eine gemeinsame Beauftragung der Gutachten durch die vorgenannten Fraktionen, die kommunalen Spitzenverbände hatten die Möglichkeit, Fragen zu formulieren.
Nach der Veröffentlichung im Herbst vergangenen Jahres entfachte sich eine breite Diskussion mit der rheinland-pfälzischen Landesregierung und den Fraktionen. Im Nachgang wurden weitere Gutachtenvorschläge, insbesondere hinsichtlich Verbandsgemeinden, Ortsgemeinden und dem Bezirksverband Pfalz durch Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung und der regierungstragenden Fraktionen wieder verworfen. Lediglich die Reformen im Bereich der Landkreise und kreisfreien Städte wurden zunächst aufrechterhalten. Auf die massive Kritik der kommunalen Spitzenverbände wurde dann eine Nachbegutachtung zum Thema interkommunale Zusammenarbeit beauftragt. Dabei kam es zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen den kommunalen Spitzenverbänden, der Landesregierung und den Fraktionen des Landtages. In mehreren Workshops wurden die Spitzenverbände in die Gutachtenerstellung eingebunden.
Die Fertigstellung der Nachbegutachtung ist 2019 nicht zu erwarten. Die sich nun anschließende vorläufige Bewertung bezieht sich daher auf die bisher vorliegenden Gutachten.
Die wichtigsten Kritikpunkte seitens des Städtetages
Grob zusammengefasst gehen die Gutachter davon aus, dass ein Reformbedarf allein schon deswegen besteht, weil in den vergangenen 30 Jahren auf Stadt- und Kreisebene keine größeren Reformen durchgeführt wurden und weil komplexe Aufgaben eine veränderte kommunale Landschaft erfordern (so genannte Veranstaltungsfähigkeit). Sie gehen weiterhin davon aus, dass kreisfreien Städte Teile der Landkreise sind und die Gebietsstrukturen in Rheinland-Pfalz insgesamt kleinteilig sind. Auch könne der Verschuldungsproblematik der Kommunen durch eine Gebietsreform wirksam begegnet werden (Argument ist insbesondere eine zu erreichende Fusionsrendite von ca. 7 % bis 8 %). Dabei machen die Gutachter keinerlei Aussagen darüber, wie Schulden durch Fusionen reduziert werden können. Auch finden sich keine Hinweise darauf, dass in anderen Bundesländern Gebietsreformen eben nicht zu den geplanten Einsparungen geführt haben. Sie werden schlicht vorausgesetzt.
Hinsichtlich der Verwaltungsstrukturen auf Landesebene werden ebenfalls breit angelegte Untersuchungen durchgeführt. Auf der Landesebene kommen die Gutachter zu dem Ergebnis, dass die Mittelinstanzen beibehalten werden sollten. Dabei geht die Untersuchung davon aus, dass bestimmte Aufgabenpakete als Ganzes auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen werden konnten. Untersucht wird der Personalbesatz in den Verwaltungen des Landes und wie sich eine mögliche Aufteilung auf die Kommunen darstellen würde. Dabei kommen die Gutachter im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass eine Übertragung nicht sinnvoll wäre. Augenfälliges Manko bei diesem Untersuchungsansatz ist, dass nicht überprüft wird, ob es schon verwandte Tätigkeiten bei den Kommunen gibt. Beispielsweise wird überprüft, ob bestimmte Aufgaben vom Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung übertragen werden könnten – mit dem wenig überraschenden Ergebnis, dass eine solche Übertragung aufgrund zu geringer dann noch bestehender Personalanlagerungen bei den Kommunen nicht möglich sei. Nicht überprüft wird, ob es im Jugend- oder Sozialamt schon ähnliche Tätigkeiten gibt, deren Personal dann aufgestockt werden könnte. Mit diesem Ansatz kann natürlich keine aussagekräftige Entscheidung begründet werden. Im Rahmen der Untersuchung der Ebenen der Kommunalverwaltung (beispielsweise Verlagerungen von Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe oder Trägerschaft von Schulen) wird ebenfalls empfohlen den Aufgabenzuschnitt beizubehalten.
Eine zentrale Forderung der kommunalen Spitzenverbände im Bereich der Verwaltungsreform, nämlich die Überprüfung von Kooperationslösungen und interkommunaler Zusammenarbeit, wurde absolut untergeordnet behandelt. Auf insgesamt 1500 Gutachtenseiten wurden auf wenigen Seiten die Vorschläge der Kommunen abgehandelt und ohne ausreichende Begründung mit dem Fazit versehen, dass Kooperationsmodelle keine wirkliche Alternative zu Gebietsreformen sind.
Eine Gebietsreform stellt damit gleichzeitig den wesentlichen Ansatz dar und nimmt einen überproportionalen Teil der Überlegungen ein. Es entsteht der Eindruck einer Vorfestlegung der Gutachter auf diesem Weg der Reform. Dies erklärt sich aus Sicht des Städtetages insbesondere daraus, dass der gleiche Ansatz durch die gleichen Gutachter schon bei der Kommunal- und Verwaltungsreform der ersten Stufe gewählt wurde. Es war demgemäß nicht zu erwarten, dass die Gutachter nunmehr einen anderen Ansatz wählen würden.
Methodisch haben die Gutachter dabei zahlreiche Einschränkungen der Untersuchung vorab festgelegt (beispielsweise eine Fusion von Landkreisen nur als Ganzes und Prüfstufen für Städte nach Einwohnergrößen) und haben daraus zwei mögliche Szenarien entwickelt. Zunächst wurde eine Gesamtoptimierung gewählt wonach noch 5 kreisfreie Städte (die Oberzentren Mainz, Ludwigshafen, Koblenz, Trier und Kaiserlautern) und 14 Landkreise bestehen würden. Bei einer Dringlichkeitsoptimierung würden ebenfalls 5 kreisfreie Städte sowie 19 Landkreise verbleiben. Bei beiden Szenarien wurde eine Eingemeindung der Stadt Frankenthal nach Ludwigshafen vorgeschlagen. Darauf aufbauend habend die Gutachter 9 Reformmodule sowie 4 Reformpakete geschnürt und geschlussfolgert, dass eine Einkreisung von kreisfreien Städten die Überlebensfähigkeit der Kreise sichert und die Landkreise insoweit die Funktion eines Ausgleichsverbandes übernehmen. Die 6 verbleibenden kreisfreien Städte würden zu großen kreisangehörigen Städten. Die interkommunale Zusammenarbeit, die Möglichkeiten der Digitalisierung und alternative Organisationsmodelle haben eine absolut untergeordnete Rolle im Gutachten gespielt. Deutlich wird in diesem Zusammenhang auch, dass das Gutachten ausschließlich aus der Sicht der Landkreise erstellt wurde. Die Einwohnerzahlen der kreisfreien Städte dienten lediglich als Füllmasse.
Forderungen des Städtetages
Nach Auffassung des Städtetages leiden die bisher vorgelegten Gutachten an zahlreichen inhaltlichen Mängeln. Die Funktion der Städte wird nicht gesehen, sie werden lediglich als Füllmasse eingesetzt zur Erreichung von Einwohnergrößen in Landkreisen, die von den Gutachten als dann auskömmlich angesehen werden. Auch wird in den Gutachten kein einziger Vorteil für eine Einkreisung aus Sicht der Städte genannt, geschweige denn mit konkreten Zahlen untermauert. Entscheidungsspielräume der Städte werden eingeengt, insbesondere in wichtigen Bereichen wie der Bauverwaltung, Jugend- und Sozialamt sowie im Bereich von Genehmigungen bei Gewerbe und Industrie werden zahlreiche neue Schnittstellen geschaffen. Aus finanzieller Hinsicht bleibt zu vermelden, dass die Kreisumlagebelastung hinzutreten wird und die Altschulden werden bei den Kommunen verbleiben. Es gibt bisher keinen einzigen Vorschlag für eine Lösung der Schuldenproblematik im Rahmen einer Gebietsreform. Die Kreisfreiheit als deutlicher Standortvorteil mit einer Entscheidungsbefugnis aus einer Hand wird nicht gewichtet.
Insofern bleiben die Forderungen des Städtetages und der anderen kommunalen Spitzenverbände:
- Keine Reformansätze ohne umfassende Beteiligung der gesamten Bevölkerung
- Anerkennung der interkommunalen Zusammenarbeit als gleichwertige Alternative
- Kommunale Selbstverwaltung stärken