Klimaschutzpate

Aus dem Engagement eines Einzelnen entstand ein europaweit beachtetes Projekt


Er dürfte der erste im Land gewesen sein: Jochen Marwede wurde vor ziemlich exakt fünf Jahren vom Rat der Gemeinde Hochspeyer zum ehrenamtlichen Klimaschutzmanager berufen. Ehrenamtlich, weil die Ortsgemeinde Hochspeyer (Landkreis Kaiserslautern) kein Geld hatte, um im Klimaschutz tätig werden zu können. Aus der finanziellen Sackgasse half auch keine Bundesförderung für Klimaschutzkonzept und -management; der Eigenanteil war nicht aufzubringen. Marwedes ehrenamtlicher Einsatz hat die Gemeinde im Klimaschutz deutlich vorangebracht – und den Grundstein gelegt für das Projekt „KlikK aktiv“ der Energieagentur Rheinland-Pfalz, das vor wenigen Tagen mit dem renommierten internationalen Umweltpreis „Climate Star“ ausgezeichnet wurde.

Engagiert hatte sich Marwede schon vor seiner offiziellen Bestellung durch den Gemeinderat. Aus ersten Diskussionen mit dem damaligen Ortsbürgermeister Anspach im Jahr 2013 entstanden Photovoltaik-Anlagen auf kommunalen Dächern und auf dem Schwimmbad. Bald darauf begann er damit, Klimaschutzmaßnahmen für seine „arme Kommune“ zu entwickeln – mit Unterstützung der Energieagentur Rheinland-Pfalz.

Im Projekt „Klimaschutz-Impulse für Hochspeyer“ wurde ein Maßnahmenbündel mit 65 Umsetzungsideen für die Ortsgemeinde in einem einzigen Workshop entwickelt. Die „arme Kommune“ musste hierbei lediglich Wasser und Brezeln, Kaffee und Kuchen beisteuern. Die Dokumentation des Projekts erfolgte in Rahmen einer Bachelorarbeit an der TU Kaiserslautern.

Vom Bürgerbus bis zur Schnellladesäule

Einiges davon ist inzwischen realisiert: Ein klimafreundlicher Bürgerbus (seit Oktober 2015), Photovoltaik auf Kita-Dach, Aussegnungshalle und Schwimmbad, Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED und ganz frisch eine Schnellladesäule für Elektro-Fahrzeuge.

Ein ebenfalls jüngerer Erfolg seines Einsatzes: Seit 2019 gibt es eine Personalstelle für „energetisches Quartiersmanagement“. Dies eröffnet der Kommune aktuell neue Zukunftsperspektiven, denn eine höhere Sanierungsquote und die Etablierung von Nahwärmenetzen sind dabei ebenso im Fokus wie die generelle Attraktivierung des Ortes.

„Offene Türen einrennen“

„Man braucht eigentlich kein Fachwissen, um sich ehrenamtlich im Klimaschutz zu engagieren“, sagt Jochen Marwede, „es lässt sich auch so viel bewegen. Man rennt als Bürger nicht selten offene Türen ein.“ Ganz ohne offiziellen Status habe man es aber nicht immer leicht, meint er einschränkend und setzt hinzu: „Natürlich geht nicht alles im Ehrenamt. Initiative und Ideen sind trotzdem starke Kräfte.“

Durch sein ehrenamtliches Engagement im Klimaschutz – „und die tatkräftige Unterstützung durch Jan Bödeker und Lisa Rothe von der Energieagentur Rheinland-Pfalz“, fügt Marwede hinzu – entstand eine Graswurzelbewegung mit Strahlkraft und zahlreichen Nachahmern: Das geförderte Bundes-Modellprojekt „KlikK aktiv – Klimaschutz in kleinen Kommunen“ der Energieagentur Rheinland-Pfalz wurde auf Grundlage seiner Aktivitäten entwickelt. „KlikK aktiv“ verknüpft die Themen Klimaschutz und Ehrenamt in kleineren Ortschaften. Heute gibt es bereits mehr als 40 ehrenamtliche Klimaschutzpaten, die in 37 Gemeinden wertvolle Anstöße für Zukunftsprojekte liefern.

„Das Ehrenamt ist gerade in den Dörfern sehr aktiv. Leider können sich kleine Kommunen oftmals schon deshalb nicht an Förderprojekten beteiligen, weil sie weder über das Personal noch über genug Mittel für den Eigenanteil verfügen“, stellen Dr. Daniele Franke und Dr. Karl-Heinz Frieden, die Geschäftsführer von Landkreistag und Gemeinde- und Städtebund, gemeinsam fest. Hier seien die Ehrenamtlichen „eine ganz große Unterstützung, um Projekte dennoch zu stemmen“. Das ehrenamtliche Engagement dieser Menschen gelte es zu fördern – ideell ebenso wie finanziell.

Ein Stern für Bürgerbeteiligung

Für seinen Ansatz, Bürgerinnen und Bürger beim Klimaschutz aktiv zu beteiligen, erhielt das Projekt jetzt einen der insgesamt 16 europaweit verliehenen ,Sterne‘. „Wir sind sehr stolz zu den Preisträgern zu zählen“, zeigte sich Michael Hauer, Geschäftsführer der Energieagentur Rheinland-Pfalz, hoch erfreut. „KlikK aktiv ist als bundesweit einzigartiges Pilotprojekt gestartet. Die Erfolge sind so überwältigend, dass inzwischen auch andere Bundesländer und Südtirol das Ehrenamtsprojekt übernehmen wollen“, setzte Hauer hinzu. Für ein erweitertes Nachfolgeprojekt ist die Förderung aus Bundesmitteln beantragt.

Zur Person



Jochen Marwede ist 56 Jahre alt, verheiratet und lebt mit zwei erwachsenen Kindern in Hochspeyer, wo er sich auch kommunalpolitisch engagiert. Im Hauptberuf arbeitet er als Vorstand in einer Software-Firma. Unter der Mail-Adresse jochen.marwede@gmail.com ist er für Nachfragen und weitere Informationen erreichbar.


Klikk-Aktiv

Das Projekt läuft in den Pilotregionen Pfälzerwald, Mittleres Moseltal und Osteifel. Teilnehmen können Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern. Weit mehr als 100 konkrete Maßnahmen wurden im Projektverlauf angestoßen und umgesetzt: Zum Beispiel wurden in kommunalen Gebäuden Heizungsanlagen erneuert, Photovoltaikanlagen installiert, Klimaschutzpaten haben den Ausbau von Fahrradwegen auf den Weg gebracht sowie Wärmenetzverbünde und Quartierskonzepte angestoßen.

Die Energieagentur Rheinland-Pfalz hat trotz der mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen mit KlikK aktiv mehr als 1.500 Bürgerinnen und Bürger erreicht – seit einem Jahr vor allem auf digitalem Weg – durch Veranstaltungen, Vorträge, Energiewerkstätten, Aktionstage in Kitas, Kampagnen oder regionale Koch-Workshops. Auch Biodiversitätsmaßnahmen wie zum Beispiel das Anlegen eines Mehrgenerationsgartens oder die Erneuerung und Wiederbelebung von Streuobstwiesen wurden umgesetzt.

Noch in diesem Jahr soll ein erweitertes Folgeprojekt starten, dann im gesamten Bundesland und weit darüber hinaus. Ansprechpartner bei der Energieagentur Rheinland-Pfalz sind Sabrina Wolf und Zelko Brkic; weitere Informationen unter www.energieagentur.rlp.de/projekte/kommune/klikk-aktiv.